02-03-18

Ein Blatt aus dem Buch "Entwürfe" meines Freundes Diebitsch


An Herrn José Pérez Andreu

"Grau die Mauern der Häuser, grau die Berge, die sie mit Schatten bedecken,
grau die Wasser, die auf ihre Strände auflaufen, grau der Himmel,
grau das Papier, auf das ich schreibe.
(Grau auch meine Seele !)
Bestes Modell für einen Maler, billig das Material und effektvoll die Art."

Das wird die Antwort sein, die ich meinen Freunden in Deutschland geben werde,
wenn sie nach einer Beschreibung fragen, wie es denn die letzten drei Jahre so gewesen.
Warte! Noch hebt ein Sonnenstrahl das monotone Grau. Ach, du lachst ?!
Und was ist mit den Frauen ? Oder, vielleicht eher : mit der Einen ?
Alles grau, was die Figur umgibt. Schwarzes Haar, schwarze Augen,
der Teint ein wenig auf "Brünette" und die Lippen: rot wie Purpur.
Ihr Dasein ist grau, grau ihre Zukunft, grau die Verwandtschaft.
Und ihre Seele ? Düster

"Die Misere ein wenig mehr betonen." wird der Maler sagen, den Pinsel befeuchten
und das Feld auf seinem Bild in welche Farbe tauchen ? Grau !
"Brrrr, mir wird kalt." wird der Betrachter sagen und seiner Wege weiter zieh´n.
Glücklich, wer dies vermag.
Nichts hält mich, Liebe nicht und auch kein Interesse - Geld vielleicht ?
Nein ! Nur diese Misere, schreckliche Misere, die unsre ganze Welt umschlingt
und sich wie ein stinkender Pilz weiter ausdehnt, rings um den Stamm,
nach und nach den guten Ursprung erstickend

Süsser Schmeichler, jetzt hinterlässt du einen verdammten Klecks !
Lehrt mich Wertschätzung, Liebe, Angst, Bewunderung, Freundschaft und Glaube
ich geb' mir Hoffnung, Hoffnung auf eine Freundschaft.
Ich weiss Eure Liebe zum "Vaterland" zu schätzen, grau, wie dieses auch sei.
Ihr liebt Euer Vaterland, Eure graue und ruhige Insel
und ich liebe das meine, das jetzt wie ein nobles, stabiles Schiff
auf hoher See, dunklem Meer fährt, Stürme abwetternd,
im Moment ruhig die See, lange Welle

Die Wellen gestört, grummeln sie, springen und wollen das Schiff noch erhaschen,
kommen wieder, hoch, noch höher, Kraft wieder schöpfend und stürzen sich auf die Beute,
jedoch versinken sie ohne Wert, vom stählernen Rumpf in die Schranken verwiesen.
Und der Steuermann schaut durch den hochkommenden, heissen Schaum,
in ungeheurer Weite der sichere Hafen.
Traut nur der Hoffnung, dass es so kommt.
So wie auch ich diesen festen Glauben habe, dass der Tag kommt,
an dem die Sonne die Nebel teilt
und dass die Kinder, wieder verjüngt, sich baden können
in ihrem klaren, süssen Licht.


F.E. Ganz
"Pamir", 20-02-1918